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Artikel vom 23.07.2007

Autor: cliquenaben.de-Redaktion

Kategorie: Interviews
Umfang: 1 Seiten


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Interview mit Richard Stubenvoll von Histogame



Wir haben uns mit Richard Stubenvoll, dem Verlagsgründer von Histogame unterhalten. Mehr zu dem geschichtlich versierten Verlag erfahrt ihr im ausführlichen Interview.

cliquenabend.de: Hallo Herr Stubenvoll, können Sie sich kurz unseren Lesern vorstellen?

Richard Stubenvoll: Mein Name ist Richard Stubenvoll. Ich wurde 1969 in München geboren und lebe seit 15 Jahren in Berlin. Von Beruf bin ich Geodät und arbeite in der Geoforschung. 2004 habe ich den Spielverlag Histogame gegründet, um das von mir entwickelte Brettspiel "Friedrich" herauszubringen. Dieses erschien übrigens unter meinem Pseudonym Richard Sivél. Dieses entstand in meiner literarischen Phase (als ich viel experimentelle Prosa schrieb).

cliquenabend.de: Wie kam es zur Verlagsgründung von Histogame?

Richard Stubenvoll: "Friedrich" wurde in meinen Jugendjahren entwickelt. Nachdem es ca. 15 Jahre nicht nur mich, sondern auch verschiedenste Freunde nachhaltig begeisterte, habe ich beschlossen es unter eigener Regie zu veröffentlichen. Zuvor erfolgte Versuche es bei Verlagen unterzubringen waren erfolglos. Meist lehnten diese Verlage bereits ab, als sie von der Spieldauer (2,5 bis 6 Stunden) hörten.

cliquenabend.de: Wie kam die Gauss-Glocke in Ihr Verlagslogo?

Richard Stubenvoll: Histogame ist ein doppeltes Wortspiel. Einerseits "historical game", andererseits "Histogramm", also eine Verteilungskurve. Die Gaußsche Normalverteilung bot sich hiermit als Logo an.

cliquenabend.de: Welches sind die Kernkompetenzen Ihres Verlages?

Richard Stubenvoll: Für mich sind historische Themen besonders interessant. Diese müssen nicht unbedingt militärisch ausgerichtet sein (wie bei Friedrich). Wichtig ist für mich, daß das Spiel ein historisches Ereignis transportiert und auf diese Weise eine "Geschichte" erzählt. Gibt es schöneres als über ein Spiel etwas über Geschichte zu lernen?

cliquenabend.de: Was fasziniert sie so an diesem Bereich? Was macht Ihnen an der Verlagsarbeit am meisten Freude?

Richard Stubenvoll: Eigentlich fast alles, mit Ausnahme der Buchhaltung und dem ganzen Steuerkram. Besonders schön ist es, begeisterte Stimmen in diversen Internet-Foren zu lesen. Zu wissen, daß "Friedrich" weltweit gespielt wird, und daß dieses "Baby" nun unabhängig von mir lebt, ist einfach wundervoll.

cliquenabend.de: Wie wählen sie die Spiele für Ihren Verlag aus?

Richard Stubenvoll: Es muß ins Programm passen und mich begeistern. Ohne Begeisterung läuft nichts.

cliquenabend.de: Steht der geschichtliche Hintergrund zu den Spielen im Vornherein fest oder wird dieser noch angepasst?

Richard Stubenvoll: Der steht fest. Ganz klar.

cliquenabend.de: Friedrich wurde als bestes historisches Spiel 2006 vom Games Magazine ausgezeichnet. Bitte erzählen Sie uns ein wenig über das Spiel.

Richard Stubenvoll: "Friedrich" behandelt den Überlebenskampf Preußens während des Siebenjährigen Krieges. Wie schon gesagt, erfunden habe ich es als Teenager, ca. 1986 oder 1987. Die Idee kam mir beim Ansehen der DDR-Fernsehserie "Sachsens Glanz und Preußens Gloria". Wie in der historischen Realität, kämpt im Spiel Preußen gegen den Rest Europas. Der Einzelspieler "Friedrich" muß versuchen über die Runden zu kommen, bis die Zarin stirbt und Frankreich und Schweden pleite sind. Dann hat er gewonnen. Die angreifenden 3 Spieler sind miteinander verbündet, dennoch gewinnt immer nur einer, nämlich derjenige dem es zuerst gelingt, sich ein bestimmtes "Kuchenstück" von Preußen einzuverleiben, sprich zu erobern.

"Friedrich" steht ziemlich genau an der Schnittstelle zwischen Kosim und dem sog. Eurogame. Thematisch und von der historischen Genauigkeit ist es ein Kosim, vom schlanken Regelwerk und den, so denke ich, innovativen Mechanismen ein Eurogame.
Der Trick bei "Friedrich" ist, daß die Kämpfe mit mehr oder weniger normalen Canasta-Karten ausgeführt werden. Hierdurch entstehen zahlreiche taktische Möglichkeiten, die in jedem Spiel anders sind, und dem Spiel seine spezielle Würze geben.

cliquenabend.de: Warum ist das Spiel bei Hardcoregamern so beliebt?

Richard Stubenvoll: Da sollte man wohl besser diese Spieler fragen... (lächelt) ... Aber, übrigens, ich weiß gar nicht, ob das stimmt. Die Hardcore-Cosim-Spieler finden "Friedrich" oft zu abstrakt. Interessanterweise bekomme ich sehr begeisterte Rückmedungen von Nicht-Spielern (wenn sie an das Spiel herangeführt wurden). -- Warum ist es so beliebt? Hier kann ich nur mutmaßen, aber ich denke aus demselben Grund, aus dem es mich über 20 Jahre begeistert hat: Die Partien laufen immer anders ab, sind meist unglaublich spannend, die Zeit verfliegt, hoffnungslose Situationen können durch unerwartete Schicksalsschläge plötzlich in einen Sieg gewandelt werden... Gleichzeitig läßt das Spiel die erdrückende Übermacht, gegen die "Friedrich" antreten mußte, spürbar werden. Nicht zuletzt ist es der Kampfmechanismus mit den Karten, der "Friedrich" seinen besonderen Charakter gibt.

cliquenabend.de: In Essen werden sie Ihr neues Spiel "König von Siam" vorstellen um was geht es in dem Spiel?

Richard Stubenvoll: "König von Siam" ist ein Spiel von Peer Sylvester für 2 bis 4 Spieler. Beim 4-Spieler-Spiel spielen 2 Teams gegeneinander. Es geht um den siamesischen Machtkampf im 19. Jh., als der siamesische König Rama V. (Ja! Der hieß wirklich so!) Reformen begann, die auf Widerstand der Adelsclique stießen. Im Spiel ringen 3 Parteien um die Macht in Siam. Der Clou ist, daß keinem Spieler eine Partei "gehört", sondern daß die Spieler versuchen, eine von Ihnen favorisierte Partei zum Sieg zu führen und gleichzeitig den stärksten Einfluß auf die am Ende siegreiche Partei zu haben.

Außerdem reflektiert "König von Siam" die besondere Tatsache, daß Siam niemals kolonialisiert wurde. Im Spiel droht ständig der Einmarsch der Briten (als außer-siamesische Macht). Haben die Briten 4 von 8 Provinzen Siams übernommen, so endet das Spiel sofort mit völlig anderen Siegbedingungen. -- Dies kann für einen Spieler, der scheinbar hoffnungslos im Hintertreffen liegt, noch die Pforte zum Spielsieg öffnen.

Jeder Spieler verfügt über 8 Aktionskarten, die für das gesamte Spiel ausreichen müssen. Man ist ständig mit der Entscheidung konfrontiert: Soll ich jetzt noch eine meiner Aktionen einsetzen (die mir später bitter fehlen wird)? Oder soll ich diese Provinz an meinen Gegenspieler abgeben. Spieldauer ist ca. 30 Minuten (bei 2 Spielern) bis 60 Minuten (bei 4 Spielern).

cliquenabend.de: Wird das Spiel eher für Hardcoregamer oder auch für den normalen Spieler sein?

Richard Stubenvoll: Tja, wie gesagt: Hardcoregamer, was ist das? -- Von der Spieldauer und dem sehr kurzen Regelwerk ist "König von Siam" auf jeden Fall breitenwirksamer, denke ich. Vom Anspruch, also von der Spieltiefe, steht es "Friedrich" in nichts nach. Man kann sich ganz schön das Hirn zermartern. Und das ist gut so.

cliquenabend.de: Zum Spiel Friedrich wurde eine WM veranstaltet mit Pokal wie war das Feedback über die Veranstaltung?

Richard Stubenvoll: Sehr gut! Ein Spieler kam sogar aus den USA, einer aus Rußland. Es waren zweieinhalb sehr intensive Tage, und es hat allen sehr viel Spaß gemacht. Ich fand vor allem die Mischung aus Wettkampfatmosphäre und freundschaftlichem Miteinander, hoher Konzentration und schallendem Gelächter hervorragend. Übrigens findet vom 31. August bis 2. September die Zweite Friedrich-WM statt.
Ich hoffe, daß dieses Turnier genauso schön wird, wie das erste. Anmeldungen sind noch möglich unter www.histogame.de/FWM2007.html

cliquenabend.de: Wie kam es zum Friedrich Pokal?

Richard Stubenvoll: Nun, ein Weltmeister braucht doch einen Pokal, oder? -- Ich habe bei den Museumsshop der preußischen Schlösser eine Friedrich-Porzellan-Büste erworben, und diese von einem Pokalmacher auf einen schönen Marmorsockel setzen lassen.

cliquenabend.de: Ist Ihnen während der drei Jahre die es Ihren Verlag nun schon gibt etwas besonders Lehrreiches und/oder im nachhinein Lustiges passiert? Wenn ja was?

Richard Stubenvoll: Das schönste war sicherlich, wie die Kooperation mit Simmons Games (dem Herausgeber von "Bonaparte at Marengo" und in Kürze von "Napoleon´s Triumph") zustande kam. Wir hatten unsere Erstlinge fast zeitgleich veröffentlich. Sie wurden auf consimworld beide euphorisch besprochen. Irgendwann schrieb ich Bowen Simmons an mit der Frage, ob wir nicht je 1 Spiel miteinander tauschen wollten. Er antwortete: "Hey, dir wollte ich auch schon schreiben. Wollen wir nicht kooperieren?" -- Und so geschah es dann. Eine hervorragende Zusammenarbeit, auch menschlich verstehen wir uns prima, und so bin ich letztes Jahr zum ersten Mal in die USA geflogen. San Francisco ist schon beeindruckend...

cliquenabend.de: Wird man in Zukunft auch ein Spiel von Ihnen auf dem Markt sehen oder bleibt es bei der Verlagsarbeit?

Richard Stubenvoll: Unbedingt will ich ein neues Spiel machen. Sitze auch schon verdammt lang dran. Es behandelt den österreichischen Erbfolgekrieg, also die Vorgeschichte zu Friedrich.

cliquenabend.de: Welche Spiele spielen Sie selbst gerne, wenn Sie sich mit Freunden treffen?

Richard Stubenvoll: Komme leider kaum mehr dazu. Aber sehr gute Spiele sind meiner Ansicht nach (je nach Laune und oder Zusammensetzung (Freaks, Eltern, Neffen, lustige Biergartenrunde) : Kuhhandel, World in Flames, Drunter und Drüber, 3rd World War, Siedler (ja, auch das! Mein 9-jähriger Neffe ist einfach ein großartiger Siedler!)

Das Interview wurde von Kevin Jensen und Andreas Buhlmann für cliquenabend.de geführt.

Vielen Dank an Richard Stubenvoll für die freundliche Unterstützung.
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