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Artikel vom 23.12.2006

Autor: Andreas Buhlmann

Kategorie: Interviews
Umfang: 1 Seiten


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Interview mit Elfriede Pauli von VIA Spiele



cliquenabend.de: Hallo Frau Pauli zu Beginn unseres Interviews würde ich Sie bitten sich unseren Lesern, die Sie noch nicht kennen, kurz vorzustellen.

Elfriede Pauli: Ich heiße Elfriede Pauli, gehöre zwischenzeitlich auch zu der Generation 50plus und beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Thema "Spiel".
In meiner Kindheit und Jugend habe ich mich ausgiebig mit der praktischen Umsetzung von Spielen beschäftigt, später habe ich mich auch theoretisch mit spielpädagogischen Aspekten auseiandergesetzt.
Ich bin Heilpädagogin, Spielautorin und seit 2002 auch Verlegerin. Als Österreicherin lebe ich sehr gerne mit meiner deutschen Familie in Bayern.

cliquenabend.de: Ihre Spiele sprechen eine besondere Zielgruppe an. Bitte erläutern Sie uns kurz Ihre Firmenphilosophie.

E. Pauli: In meiner praktischen Arbeit mit jungen und alten Menschen konnte ich sehr unterschiedliche Erfahrungen sammeln. Die Begegnungen mit Menschen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten haben mich geprägt.
Ich war erstaunt über die spontane Freude z.B. von Menschen mit Beeinträchtigungen, wenn sie sich mit ihren individuellen Fähigkeiten im Spiel einbringen konnten. Leider gab und gibt es noch immer nicht genügend geeignete Spiele für erwachsene Menschen mit Einschränkungen.
Sich spielerisch zu nähern heißt, sich Zeit füreinader zu nehmen, sich vertraut machen, zuzuhören, miteinander oder gegeneinander zu spielen, in Beziehung zueinander zu treten und selbst aktiv zu werden. Spiel ist immer beziehungsstiftend.
Treffen sich junge und alte Menschen zum Spielen in geselliger Runde, so können Respekt, Achtung und Wertschätzung vermittelt und weitergegeben werden. Wir lernen voneinader - übereinander.

cliquenabend.de: Wie kam es zur Gründung von VIA-Spiele?

E Pauli: Als Lehrkraft an einer Fachschule für HeilerziehungspflegerInnen (das sind Fachkräfte in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung) wurde mir der Mangel an geeigneten Spielmitteln für diese Zielgruppe bewusst.
Meine Versuche, mit Verlagen in Kontakt zu kommen und diese von der Wichtigkeit zu überzeugen, dass Spiele z.B. auch für ältere Menschen benötigt werden, scheiterten. Vor Jahren hat man diese Sichtweise nur belächelt. Da ich von der Dringlichkeit überzeugt war, gründete ich 2002 den VIA-Spiele Verlag mit einem kleinen Programm integrativer und intergenerativer Spiele. Heute hat sich die Einstellung, auch der großen Verlage, geändert.

cliquenabend.de: Würden Sie anderen Spieleerfindern generell raten einen eigenen Verlag zu gründen oder doch zu einem bestehenden zu gehen?

E. Pauli: Das tägliche Brot muss hart verdient werden. Als Kleinstverlag hat man mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Dazu gehören z.B. Probleme mit Auflagengrößen, Vorfinanzierung, Vertriebswege, Schutzrechte usw. Zu guter Letzt hat man mit dem Faktor "unbekannter Verlag" zu kämpfen.
PR-Maßnahmen sind notwendig, doch leider nicht wirklich finanzierbar. Die Konkurrenz ist groß und leider gibt es in der Branche auch schwarze Schafe, die vor unlauteren Mittel nicht zurückschrecken. Vielfach unterstützen Behörden und Institutionen diejeneigen, die schon immer gefördert wurden und die "passende" Anschauung vertreten.

Ich möchte aber auch die schönen Seiten der Arbeit als Kleinstverlegerin hervorheben:

Es gibt noch immer Geschäftspartner, die einem nicht nach den Umsatzzahlen beurteilen, sondern nach den Kompetenzen fragen und an einer konstruktiven Zusammenarbeit interssiert sind. Es gibt noch Journalisten, die sich nicht von Markennamen blenden lassen und auch über die kleinen Erfolge der kleinen Leute berichten. Es gibt noch Verbraucher, die nicht nur billig kaufen und "einem allgemeinen Trend" nachlaufen, sondern Qualität und Individualität schätzen. Es gibt noch Kollegen und Fachkräfte, die nicht nur den teuren aber nicht unbedingt objektiven Studien trauen, sondern die sich ihr eigenes Bild über die Qualität eines Angebots machen. Es gibt Spieler, die durch ihr Vergnügen beim Spiel zeigen, dass die Spielangebote den richtigen Akzent setzen. Es gibt Politiker, die nicht nur reden, sondern auch das Gesagte umsetzen (wenn auch nicht viele). Und man begegnet interessanten Menschen, die unabhängig von Alter und Intelligenz Mut zum Weitermachen geben.

cliquenabend.de: Welches war das erste Spiel, das Sie entwickelt haben?

E. Pauli: Das erste Spiel, welches später produziert und vertrieben wurde, ist Kubus Fugus.

cliquenabend.de: Wie kam es dazu?

E. Pauli: Ich arbeitete damals in einer integrativen Gruppe und benötigte ein Spiel, welches den intellektuellen Bedürfnissen der unterschiedlichen Personen angepasst werden konnte. Kubus Fugus ist in der Spielmechanik leicht verständlich, in der Umsetzung jedoch sehr variabel, sodass für jedes Leistungsniveau ein interessantes Spiel möglich ist.

cliquenabend.de: Wie lange haben Sie an diesem Spiel entwickelt und inwiefern hat sich das in der Zwischenzeit verändert?

E. Pauli: Die ersten Entwürfe liegen bereits ein Jahrzehnt zurück, die Veröffentlichung im VIA-Spiele Verlag erfolgte 2002.

cliquenabend.de: Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Spiele?

E. Pauli: Ich glaube, dass ich viele Anregungen aus Beobachtungen ableite. Erkenne ich z.B. Wünsche, Bedürfnisse oder Probleme, so beginnt mein Gehirn unaufgefordert zu rattern. Oft finde ich bei alltäglichen Tätigkeiten, die bereits automatisiert wurden, Lösungsmöglichkeiten. Häufig sehe, höre, erlebe ich im praktischen Tun etwas, was sofort eine Kettenreaktion an Ideen auslöst.

cliquenabend.de: Wie und mit wem testen Sie Ihre Neuheiten?

E. Pauli: Die Spiele werden zuerst in der Familie und im Freundeskreis getestet, später mit den jeweiligen Zielgruppen. Oftmals verbessert man die Produkte fortlaufend und bringt kleine Veränderungen in die neuen Auflagen ein. Meine Kunden sind die besten Kritiker, sie geben mir häufig wertvolle Tipps.

cliquenabend.de: "Strandmuscheln" ist ein Spiel von Udo Peise, wie kam es dazu, dass Sie dieses Produkt bei Ihnen aufgenommen haben?

E. Pauli: Ich habe das Spiel beim Spielautorentreffen in Haar kennengelernt. Herr Peise hat einen ähnlichen pädagogischen Erfahrungshintergrund, er leitet eine Heilpädagogische Tagesstätte und einen Kinderhort. Man merkt sofort, dass er "Gernspieler" ist und Spaß sowie Lernen gut verknüpfen kann. Das Spiel passt sehr gut in meine Produktpalette.

cliquenabend.de: Welches ist Ihr derzeitiges Lieblingsspiel aus Ihrer Produktreihe und warum?

E. Pauli: Gut, dass Sie mich nach meinem derzeitigen Lieblingsspiel fragen - es wechselt wirklich. Meine Eindrücke vom Spielefest in Wien sind noch nachdrücklich geprägt. In Wien hatten wir einige so lustige Spielrunden mit dem Spiel Steinkreis. Es ist ein Kooperationsspiel, welches eine relativ einfache Spielabfolge hat und viele soziale Aspekte beinhaltet. Obwohl es nicht anspruchsvoll ist, amüsieren sich auch viele Erwachsene dabei. Das fasziniert immer.

cliquenabend.de: Wurden Sie von bestimmten Spielen inspiriert?

E. Pauli: Ich glaube, jeder wird unbewusst von dem bereits Vorhandenen inspiriert. Der Religionsphilosoph Martin Buber spricht in diesem Zusammenhang vom Urhebertrieb des Menschen. Es entsteht etwas, was es vorher noch nicht gegeben hat und was dennoch nicht aus dem Nichts kommt.

cliquenabend.de: Haben Sie Feedback von Spielern erhalten?

E. Pauli: Ja, sehr häufig geben mir Besucher auf Messen und Seminaren Rückmeldungen. Meist ist es ein gutes Feedback, manchmal auch konstruktive Kritik, manchmal auch ehrliche Aussagen, dass meine Spiele nicht den speziellen Vorlieben der Person entsprechen.

cliquenabend.de: Wieviel Stückzahlen stellen Sie als kleinerer Spieleverlag von einem Produkt her?

E. Pauli: Es gibt in meinem Sortiment Spiele, die mit einer Auflage von 100 Spielen produziert werden und Spiele, die eine Auflage von 3000 Stück haben.

cliquenabend.de: Sie benutzen bei Ihren Produkten edle Materialien (Holz und Eisen). Warum?

E. Pauli: Wie sagt Maria Montessori sinngemäß: Das Material transportiert eine gewisse Wertschätzung. Stellen Sie sich vor, wie Sie mit einem einfachen Kunststoff-Gußteil hantieren und wie behutsam Sie mit wertvollen Materialen umgehen. Man erlebt sich selbst wertvoll, wenn man von ästhetischen Materialien umgeben wird. Das ist wichtig.

cliquenabend.de: Können Sie uns einen kurzen Einblick geben was Sie für zukünftige Entwicklungen im Kopf haben? Gibt es etwas was sie schon immer mal umsetzen wollen?

E. Pauli: Das ist eine schwierige Frage, man sollte in der Branche nicht zu viel aus dem Nähkästchen plaudern. Ich arbeite gerade an zwei weiteren Spielen und wünsche mir einen kompetenten Kooperationspartner. Ich habe bereits eine gezielte Anfrage, ich hoffe auf Zustimmung.
Meine derzeitigen Bestrebungen sind, Kubus Fugus international platzieren zu können. Einige Vertriebspartner im europäischen Ausland habe ich bereits gefunden, bei anderen Ländern bin ich auf der Suche. Leider sind die Produktionskosten extrem hoch, mit den herkömmlichen Verfahren sind diese auch nicht zu senken. Ich bin auch hier im Gespräch. Kubus Fugus hat nach meiner Einschätzung das Potenzial, sich langfristig zu etablieren. Leider ist der Spielemarkt insgesamt sehr kurzlebig.

cliquenabend.de: Gibt es ein Spiel, bei dem Sie denken "Wow! Das hätte ich gerne erfunden"? Welches und warum?

E. Pauli: "Die Eisbären sitzen um die Löcher".

cliquenabend.de: Was Spielen Sie selbst mit Ihrer Familie und Freunden derzeit am liebsten und wer gewinnt für gewöhnlich?

E. Pauli: Schafkopf, es gibt unterschiedliche Gewinner - öfter "leider" meine Kinder und deren Freunde.

cliquenabend.de: Gibt es etwas was Sie unseren Brettspielliebhabern da draußen noch mit auf den Weg geben möchten?

E. Pauli: Die Vielfalt macht die Qualität, wenn das umfassende Angebot verschwindet wird die Auswahl begrenzt. Wir müssen bewusster einkaufen und indivudelle Angebote nutzen - nicht nur bei Spielen.

Andreas Buhlman für cliquenabend.de

Vielen Dank an Frau Elfriede Pauli für die bereitwillige Beanwortung unserer Fragen.
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